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Grüne ETFs sind derzeit oft einfach nur Greenwashing

ETFs sind bei Kleinanleger:innen inzwischen sehr beliebt. Insbesondere weil klassische Sparbücher seit längerem keine Gewinne mehr abwerfen, die hohe Inflation den Geldwert mindert und Trading-Apps das Kaufen von ETF-Anteilen extrem einfach machen. Außerdem sind die Gebühren gegenüber klassischen Finanzprodukten oft deutlich günstiger, die Bündelung einer Vielzahl von Firmen-Anteil soll Risiken minimieren und der Blick in die Vergangenheit verspricht stabile Gewinne auf lange Sicht.

Wie großartig wäre es nun, wenn man mit seinem Investment auch gleichzeitig die Klimakrise bekämpfen könnte?! Dieses Versprechen machen nachhaltige „grüne“ ESG“-ETFs seit einigen Jahren. Bisher erfüllen sie die Ansprüche jedoch keineswegs wie aktuelle Recherchen zeigen:

Inhaltsverzeichnis


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An der Börse investieren, aber nur in nachhaltige Firmen?

Wie großartig wäre es nun, wenn man mit seinen ETFs auch gleichzeitig die Klimakrise bekämpfen könnte?! Wenn schon auf etwas wetten, dann bitte doch auf Firmen, die die Erderhitzung nicht weiter durch ihre schädlichen Geschäft anheizen.

Dieses Versprechen machen nachhaltige „grüne“ ESG“-ETFs seit einigen Jahren. Sie sollen Firmen aussortieren, die den Planeten mehr schädigen als andere.

Firmen werden hierbei in den ESG-Kategorien „Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Transparenz, Regierungsqualität (Governance)“ bewertet. Bei einer schlechten Bewertung (Rating) werden diese Firmen-Aktien dann nicht in den ETF aufgenommen.

Nur ein Beispiel von vielen: ESG-Informationen auf der Webseite des ETF-Anbieters iShares/Blackrock. Urheberrecht: Screenshot, alle Rechte bei ishares/Blackrock.
Nur ein Beispiel von vielen: ESG-Informationen auf der Webseite des ETF-Anbieters iShares/Blackrock. Urheberrecht: Screenshot, alle Rechte bei ishares/Blackrock.

Es geht um Gewinne, planetare Grenzen spielen keine echte Rolle

Der Stand der Dinge ist aktuell aber leider, dass es sich hierbei in den meisten Fällen um Greenwashing handelt wegen des aktuell verwendeten Rating/Bewertungs-Modells.

Journalist Rico Grimm fasst hier die Bloomberg-Rercherche von Cam Simpson and Akshat Rathi (Dezember 2021) prägnant zusammen:

Viele Öko-ETFs täuschen die Anleger:innen

Was ich in der Überschrift geschrieben habe, ist ein harter Schluss, aber nach dieser Recherche von Bloomberg Green bleibt kein anderer übrig. Aber von vorne: Was sind ESG-Ratings?

Ratingagenturen bewerten damit, wie Firmen in den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Transparenz, Regierungsqualität (Governance) abschneiden. Diese Ratings sind die Grundlage von sehr vielen „nachhaltigen“ Investments, die es am Markt gibt. Fondsanbieter zum Beispiel nutzen die Ratings, um ihre ETFs entsprechend mit Firmen aufzufüllen, die „gut“ für Umwelt, Arbeiter:innen und Anti-Korruption sind. Der in Deutschland wahrscheinlich beliebteste Fonds dieser Art, der iShares MSCI World, verwaltet allein mehr als vier Milliarden Dollar Kapital.

Die Recherche von Bloomberg Green zeigt nun: Diese Ratings sind wertlos, jedenfalls, wenn man sie benutzen will, um ökologische Unternehmen zu finden. Sie sind wertlos, weil „sie nicht messen, welches Risiko ein Unternehmen für die Welt darstellt, sondern welches Risiko die Welt für ein Unternehmen darstellt.“ Konkret heißt das etwa, dass eine Ölfirma nur dann ein schlechtes ESG-Rating bekommt, wenn Regulierung ihres Geschäfts aufgrund von Klimazielen droht. Sonst nicht.

Dieser Fakt ist weithin unbekannt und es ist auch klar, warum: Ein gutes Gewissen kann man sich an der Börse nicht kaufen. Die Werbebroschüren vermitteln allerdings das Gegenteil: fürs Alter vorsorgen und dabei den Planeten nicht ruinieren und niemanden ausbeuten. Das ist schon immer prinzipiell eine Schimäre gewesen, nach diesem Text kann man das Ziel beiseiteschieben.

Wer an der Börse breit gestreut in ETFs investiert, muss damit leben, mit schlechten Dingen Geld zu verdienen. Der einzige Ausweg: Nicht investieren. Oder extrem viel recherchieren.

Rico Grimm – piqd.de, basierend auf Bloomberg Recherche (Dezember 2021)

Bloomberg hat zur Recherche „How to Get an ESG Rating Upgrade“ ebenfalls einen eindrücklichen Videobeitrag veröffentlicht mit Beispielen von McDonalds & Co:

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Im Video wird ein Fall dargestellt, in dem bei Rating-Hochstufungen nur in einem Fall CO2-Reduzierungen eine Rolle spielten.

Screenshot „ESG Ratings Are Not What They Seem“ (Bloomberg Originals)

Es geht aktuell um den Einfluss der Welt auf die Gewinne der Firma

Ein weiterer wichtiger, noch klimaschädlicherer Aspekt dieser Recherche wird hier noch einmal auf den Punkt gebracht:

The separation of profit and planet is by design. ESG ratings which underlie ESG fund selection are based on “single materiality” — the impact of the changing world on a company’s profits and losses, not the reverse. They also bear no connection to natural boundaries. According to Bloomberg, “[ESG] ratings don’t measure a company’s impact on the Earth and society. In fact, they gauge the opposite: the potential impact of the world on the company and its shareholders.”

ESG Investing Isn’t Designed to Save the Planet – Kenneth P. Pucker and Andrew King, Harvard Business Review (August 2022)

Es geht also laut den Recherchen nicht darum, welchen Einfluss eine Firma auf die Umwelt und Gesellschaft hat. Sondern es geht darum, welchen Einfluss die sich verändernde Welt auf die möglichen Gewinne und Verluste einer Firma hat. Zudem spielen natürliche Grenzen des Planeten keine Rolle. 🤯

Die Greenwashing-Vorwürfe haben laut etf-nachrichten.de auch bereits Auswirkungen gehabt:

Darüber hinaus hat der Greenwashing-Verdacht Mitte letzten Jahres das Vertrauen der Anleger nachhaltig geschädigt. Die US-Börsenaufsicht hat offizielle Untersuchungen der ESG-Fonds der US-amerikanischen Großbank Goldman Sachs vorgenommen, bei denen eklatante Mängel bei der Auswahl von ESG-konformen Unternehmen festgestellt wurden. Viele Anleger zogen sich nach dem Bekanntwerden des Skandals aus nachhaltigen Investmentfonds zurück.

Goodbye ESG? Warum Grüne Investments In Der Krise Stecken (etf-nachrichten.de, 2023)

Wie könnte der Zustand verbessert werden?

Eine echte Regulierung und wissenschaftlich fundierte Ratings könnten in Zukunft helfen, echte nachhaltige ETFs aufzusetzen. Ebenso wie beim Zertifikathandel-Skandal von VERRA, müssen wir als Gesellschaft – und vor allem die Firmen-Entscheider:innen, Bänker:innen, Politiker:innen etc. – immer wieder hinter Marketing-Versprechen schauen und Beweise einfordern, dass tatsächlich nachhaltig gehandelt wird. Laut Luisa Neubauers Vortrag „Cut the bullshit“ erleben wir generell gerade den größten Greenwashing-Skandal aller Zeiten.

Nicht zuletzt ist wie bei allen anderen Alltagsthemen eine Challenge, nachhaltig zu agieren in einem aktuell größtenteils nicht nachhaltigen Gesamt-System.

Was sind mögliche Alternativen?

Rico Grimm hatte ja bereits folgendes Fazit gezogen: „Wer an der Börse breit gestreut in ETFs investiert, muss damit leben, mit schlechten Dingen Geld zu verdienen. Der einzige Ausweg: Nicht investieren. Oder extrem viel recherchieren.“.

Eine Alternative, die mir bekannt ist: Fonds der nachhaltig-orientierten GLS Bank. Die GLS Bank kritisiert immer wieder ETFs und bietet selbst keine an. Die GLS Fonds haben allerdings deutlich höhere jährliche Kosten im Vergleich zu ETFs. Außerdem finden sich deutlich weniger Positionen in dem Fond – als Vorteil von bisherigen ETFs wird ja oft angebracht, dass sie in 1’000 Positionen und mehr investieren und somit das Risiko durch Streuung minimiert wird. Hier muss leider jede:r selber entscheiden, ob man sich darauf einlassen / darauf wetten möchte:

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Alternative zum MSCI World ETF? GLS Bank Aktienfonds – Nachhaltig investieren (2021)

Disclaimer: Die GLS Bank hat eine antrosophische/esoterische Vergangenheit, von der sie sich inzwischen jedoch erfolgreich distanziert hat.

Weitere Alternativen sehr gerne in den Kommentare ergänzen!


Offenlegung: Ich selbst habe mich vor Kurzem entschieden, in einen konventionellen ETF zu investieren auf Grund der geringeren, jährlichen Gebühren und der breiten Streuung.


Die Klimakrise wird nicht über ETFs gelöst, sondern über Regierungshandeln?

Wenn man einen Schritt zurück macht, wird allerdings auch deutlich dass ein paar nachhaltige ETFs nicht die großen Challenges unserer Zeit wie Energiewende lösen werden. Zumindest haben sie das bisher nicht getan und „grünes Wachstum“ hat bisher ebenso wenig den dramatische Anstieg der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verhindert.

Derek Bower, Redakteur der Financial Times, schrieb in einer seiner letzten Kolumnen für den FT Energy Source Newsletter folgende markante Sätze:

Capitalism won’t deliver the energy transition fast enough..

There’s too much to do, and given the urgency and the need to get the solution right, this isn’t a task for your favourite ESG-focused portfolio manager or the tech bros. The sheer scale of the physical infrastructure that must be revamped, demolished or replaced is almost beyond comprehension.

Governments, not BlackRock, will have to lead this new Marshall Plan. And keep doing it. The western nations that did so much of the damage will have to finance the transition in the developing world – it is astonishing that this idea is still debated. Massive deficit spending will be necessary, not a new ETF.

The energy transition will be volatile – Energy Source Kolumne der Financial Times

Letztendlich könnte man also auch argumentieren, dass ETFs von Kleinanleger:innen gerade nicht die Challenge mit der höchsten Priorität sind wenn es um die globale Transformation hin zu einer klimaneutralen Weltwirtschaft geht.

Anderseits bündelt sich bei den ETF-Anbietern schon eine Menge Geld. Es wurden Initiativen wie die „Net Zero Insurance Alliance“ gestartet, um Firmen zur Bekämpfung der Klimakrise zu motivieren bzw. Anreize zu setzen. Diese Allianz bröckelt nach anfänglicher Euphorie aber leider bereits:

Die Diskussion, wie man das wirtschaftliche System hin zur Klimaneutralität umbaut, ist ja ebenfalls weiterhin in vollem Gange: Degrowth vs Green Growth, Den Kapitalismus aufgeben, um das Klima zu retten? – Ulrike Hermann, etc.

Viele Klimaaktivisten spüren, dass der Abschied vom Kapitalismus schwierig wird. Greta Thunberg wurde kürzlich von einem Anhänger gefragt, wie denn das künftige System aussehen soll. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Es wurde bisher noch nicht erfunden.“ […]

Ulrike Hermann – Schrumpfen statt Wachsen (taz, 2022)

Vorläufiges Fazit

Es ist es natürlich ein Luxusproblem, überhaupt darüber nachdenken zu können zu Investieren – während viele Menschen derzeit wegen der Klimakrise und dem Artensterben um ihren Job, ihre Heimat und ihr Leben fürchten müssen (oder bereits wegen den Auswirkungen verstorben sind).

Es gibt aber ebenso starke Bezüge zur Sozialen Gerechtigkeit: Finanz-YouTuber:innen weisen immer wieder darauf hin, dass die gesetzliche Rente oft nicht reichen wird, man seine Rentenlücke berechnen soll und frühzeitig auch private Investments benötigt um diese Lücke zu schließen. Weiterhin gibt es Berichte, dass sich Finanzprodukte wie die private Rentenversicherung aktuell nicht auszahlen für viele Menschen (finanztip – Deutschland, Arbeiterkammer Österreich). Auch dies rückt ETFs natürlich in den Fokus, womit sie ebenfalls einen starken Bezug zu Sozialer Gerechtigkeit haben.

In einem weiteren Beitrag werde ich vielleicht mal versuchen zu ergründen, ob langfristige ETF-Investments jetzt überhaupt noch Sinn machen wenn sich die Klimakrise immer mehr zuspitzt.

Konstruktive Hoffnung: In Zukunft könnte es weitere echte, grüne Investment-Möglichkeiten geben. Die Enthüllungen rund um das derzeitige Greenwashing sind hier sicherlich extrem hilfreich, ernsthafte Rating-Modelle voranzutreiben.

Weitere Artikel zum Thema:

Wie der Ausschluss von Firmen-Anteilen auf Basis der Kriterien im Detail funktioniert, kann man hier an einem Beispiel sehen: Vanguard ESG Global ETFs | FTSE Global All (Finanzpedia, YouTube)

Ein sehr empfehlenswerter Dokumentarfilm zum Thema, wie Gewinne eigentlich entstehen:

Ich werde versuchen, die folgende Liste fortlaufend ein bisschen aktuell zu halten.

Beitragsfoto: Denise Chan / Unsplash Lizenz

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